Am 14. Juni 2025 lanciert das Feministische Streikkollektiv Basel die Kampagne für einen überregionalen Care-Streik 2027. Die Ankündigung erfolgte gestern um 13:00 Uhr auf dem Barfüsserplatz im Rahmen unserer grossen Demonstration. Dieser Moment markiert den Startschuss einer breiten Initiative, die von verschiedenen feministischen Streikkollektiven in der ganzen Schweiz getragen und weiterentwickelt wird.
Do you care?
Nach unseren erfolgreichen Protesten 2024, schweizweiten Arbeitsniederlegungen und Streikpausen unter dem Motto „We care!“ stellen wir 2025 eine entscheidende Frage an Andere: „Do you care?“ – Kümmerst du dich? Denn Care-Arbeit geht uns alle etwas an! Streikkollektive aus verschiedenen Regionen der Schweiz tragen die Kampagne bereits mit und entwickeln sie gemeinsam weiter. Und 2027 werden wir die Antwort geben: Mit einem überregionalen Care-Generalstreik zeigen wir – ohne uns steht alles still!
Die Realität der Care-Arbeit in Zahlen
Care-Arbeit ist das Fundament unserer Gesellschaft. Ohne Care kein Leben. Doch die Zahlen* zeigen die systematische Abwertung unserer Leistung:
- Weltweit sind zwei Drittel der bezahlten Care-Arbeiter*innen Frauen. Davon sind die Mehrheit Migrant*innen.(UN, 2024).
- Etwa 10’000 Millionen Stunden unbezahlte Hausarbeit wurden in der Schweiz im Jahr 2024 geleistet. Davon leisteten Frauen 6000 Millionen Stunden, also knapp zwei Drittel. (BFS, 2024)
- Pro Woche leisten Frauen 32 Stunden unbezahlte Haus- und Familienarbeit (Männer: 22 Stunden) (BFS, 2024).
- 49 Prozent der Schweizer Grossmütter betreuen ihre Enkelkinder mindestens einmal pro Woche. Bei den Grossvätern sind es lediglich 31 Prozent. (BFS 2024)
* Die Statistiken basieren auf einer geschlechterbinären Logik, weshalb wir diese ebenfalls so wiedergeben



Stimmen aus der Care-Arbeit
In dem vom Feministischen Streikkollektiv Zürich am 14. Juni 2025 veröffentlichten Care-Communiqué sprechen Care-Arbeiterinnen Klartext:
Pflegerin im Kantonsspital: „Immer zu wissen, wenn man selbst ausfällt, sind die Kolleg*innen im Seich. Das Problem ist, dass der Personalschlüssel auf 40-Jährige Patient*innen ohne Komplikationen berechnet ist. Das ist aber fast nie der Fall.“
Sozialarbeiterin und dreifache Mutter: „Ich habe immer das Gefühl, nicht genug zu sein. Diesen Frust nehme ich dann mit in meine Arbeit, in der uns überall die Ressourcen fehlen.“
Kita-Betreuerin: „Unser Job wird als ‚Sackgassenjob‘ bezeichnet. Deshalb hören so viele wieder auf oder rennen ins Burnout. Unser Lohn ist viel zu tief.“
Mutter im Zug: „Vor der Arbeit habe ich bereits Kinder geweckt, angezogen, Essen zubereitet. Wenn ich dann auf Arbeit ankomme, habe ich das Gefühl, bereits einen ganzen Tag gearbeitet zu haben.“
Care-Krise als Systemfrage
Die Care-Krise ist tief im kapitalistischen System verankert. Care-Arbeit steht im Widerspruch zur Profitmaximierung – deshalb wird sie systematisch entwertet und ungleich verteilt. Eine Feminisierung der Arbeit führt zusätzlich dazu, dass Sorgearbeit schlecht entlohnt und gesellschaftlich nicht anerkannt wird.
Intersektionale Diskriminierungen verstärken die Krise: Migrantische Personen, People of Color, FLINTA-Personen, queere Personen, ältere Personen und Personen mit Behinderungen sind sowohl als Care-Arbeitende als auch als Menschen, die Care-Arbeit brauchen, besonders betroffen.
Unsere Forderungen: Mehr Zeit, mehr Geld, mehr Anerkennung!
Care-Arbeit braucht Zeit – sie lässt sich nicht „optimieren“ wie industrielle Prozesse. Wir fordern:
- Gerechte Entlohnung für bezahlte und unbezahlte Care-Arbeit
- Mehr Zeit und bessere Arbeitsbedingungen im Care-Bereich
- Soziale Absicherung für alle Care-Arbeitenden
- Sichtbarmachung der meist unsichtbaren Care-Arbeit



Internationale Solidarität – auch für Care!
Care-Arbeit hat Grenzen – unsere Solidarität nicht. Wer im Ausnahmezustand sorgt, kennt sie: Die Erschöpfung, die Unsichtbarkeit, das Alleinsein – in Kriegs- und Krisengebieten wird Care-Arbeit zur stillen Überlebensfrage. Wenn Krankenhäuser bombardiert, Schulen zerstört und Familien auseinandergerissen werden, tragen FLINTA die Hauptlast, unter unmöglichen Bedingungen für ihre Gemeinschaften zu sorgen.
2027: Wir haben keinen Bock mehr!
„Wir haben jahrzehntelang gezeigt, dass wir uns kümmern. Jetzt ist Schluss mit der Selbstverständlichkeit“, erklären die beteiligten Streikkollektive. „2027 legen wir die Arbeit nieder und zeigen der Gesellschaft, was passiert, wenn Care-Arbeit nicht mehr geleistet wird.“
Wir sind diejenigen, die zuhören, abklären, Kühlschrank checken, auffüllen, einfühlen, aushandeln, Hintern putzen, kochen, einspringen, einkaufen, Wäsche waschen, zuhören, betten anziehen, emotional stützen, waschen, pflegen, kümmern, Verband erneuern, trösten, flicken, in die Praxis begleiten, Haare waschen, Fahrdienst übernehmen, Proviant einplanen, Knopf annähen, anrufen, Rucksack mitpacken, Mittagstisch übernehmen, alles stehen lassen, Spielzeug aufräumen, nachts aufstehen, Gäste empfangen, Blumen giessen, Tisch decken, Beziehungen pflegen, an Geschenk denken und besorgen, Schulgespräch wahrnehmen, Besuchsmorgen abdecken, Windeln wechseln, Qualitätsansprüche aus Zeitnot runterfahren, weiterhin steigende Krankenkassenprämien bezahlen und mit AHV-Lücken leben müssen…… Ja zur Arbeit, aber nicht unter diesen Bedingungen!